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Rolfing – Zu Besuch bei Deutschlands ältestem Klavierbauunternehmen

“Musik ist Leben” prangt in großen Buchstaben über dem Haupteingang des Gebäudes an der Bramscher Straße 251. Wir sind verabredet mit Max-Ole Tammen. Er ist Teil der Geschäftsführung von Rohlfing und Klavierbauer. Bei unserem Treffen erzählt er uns die Geschichte von Deutschlands ältestem Klavierbauunternehmen und seiner Verbindung zu Osnabrück, gibt uns einen Einblick in den Beruf der KlavierbauerInnen und teilt mit uns seine Begeisterung zur Musik.

Ein Handwerk mit Tradition

Es dürfte wenig überraschen, dass Rohlfing als das älteste Klavierbauunternehmen Deutschlands auf eine lange Geschichte zurückblickt. Sie reicht zurück bis in das Jahr 1790. Damals gründete Anton Franz Rohlfing in Quakenbrück eine Werkstatt für Klavier- und Orgelbau. Der Fokus lag anfangs noch auf den Orgeln, verschob sich über die Jahre aber auf das Klavier. Das Unternehmen wuchs und zog schließlich an die Große Straße in der Osnabrücker Innenstadt. Nachdem das Geschäft im zweiten Weltkrieg völlig zerstört wird, nimmt sich die Familie Rohlfing des Wiederaufbaus an und öffnet 1950 erneut die Türen. Das Hauptaugenmerk liegt nun auf dem Verkauf, der Klavierbau tritt vorerst in den Hintergrund.
Da die Rohlfing-Kinder ein Leben außerhalb des Musik- und Klaviergeschäfts anstreben, geht das Unternehmen 2003 an Wilfried Tammen über, der bei Rohlfing in den 70er Jahren seine Ausbildung zum Klavier- und Cembalobauer absolvierte. Trotz des Inhaberwechsel bleibt Rohlfing ein Familienbetrieb, nur jetzt eben in den Händen der Familie Tammen.
Neben dem Senior Wilfried Tammen traten in den folgenden Jahren Andreas, Max-Ole und Annika Tammen in die Geschäftsführung ein. Max ist kein geborener Tammen. Er heiratete in die Familie ein und übernahm den Namen seiner Frau.
Familie Tammen ist stolz auf das Handwerk und die lange Tradition des Betriebs. In einer Ecke des großen Verkaufsraums steht ein Konferenztisch, über dem ein gusseiserner Klavierrahmen mit zahlreichen Unterschriften hängt: Eine Erinnerung an den 225. Geburtstag des Unternehmens.
Rohlfing verkauft zwar auch noch andere Instrumente wie Gitarren oder Akkordeons, das Klavier steht aber klar im Mittelpunkt. Das fängt beim Verkauf an und geht bei der Kundenbetreuung im Reparatur- und Restaurationsdienst der Werkstatt weiter.
“Das ist es was uns ausmacht. Bei uns bekommt man ein Rundum-sorglos-Paket. Alles aus einer Hand. Alles aus einem Hause.”

Die Sprache der Musik

Die Werkstatt von Rohlfing befindet sich im oberen Stockwerk. In dem großen Raum stehen etliche Klaviere, manche geschützt unter einer Plane, andere mit offener Mechanik.
Insgesamt sieben Klavierbauer und Klavierbauerinnen arbeiten bei Rohlfing. Die Ausbildung zum Gesellen oder zur Gesellin dauert dreieinhalb Jahre und kann wahlweise in einer Fabrik oder eben in einer Werkstatt, wie der von Rohlfing, absolviert werden. Hier werden vor allem Reparatur- und Restaurationsarbeiten übernommen.
“Die Arbeit in der Werkstatt ist abwechslungsreicher als in der Fabrik. Man trifft ständig auf neue Aufgaben und ist näher an den Kunden und Kundinnen.” Was Max damit meint, erklärt sich uns mit einem Blick in einen kleinen Vorraum der Werkstatt, wo gerade ein Klavier einen neuen Anstrich in einem zarten Rosa verpasst bekommt. “Manchmal muss man mit dem Kunden oder der Kundin gemeinsam herausfinden, was einem Klavier fehlt. In diesem Fall musste das Klavier eben rosa sein.”
Der Klavierbau ist ein Kunsthandwerk in zweierlei Hinsicht. Die Kunst liegt zum einen in der Bearbeitung der Materialien, zum anderen in der Musik. Das Stimmen von Klavieren macht einen großen Teil der Arbeit aus und geschieht bei Rohlfing stets nach Gehör. Zwar gibt es inzwischen elektronische Hilfsmittel, die sehr präzise Töne bestimmen können, oft kommt es aber gar nicht auf die Genauigkeit an. Entscheidend sind buchstäblich die Zwischentöne.
“Die Kunden und Kundinnen sind anspruchsvoll und die Wünsche oft abstrakt. Wenn eine Kundin davon spricht, dass ihrem Klavier die Brillanz fehlt, dann musst du erstmal herausfinden, was sie damit meint.”
Eine bis drei Saiten werden mit der Betätigung einer Taste angeschlagen. Für den gewünschten Klang gilt es, “den Ton zu zerlegen” wie Max sagt. “Um den Charakter eines Klaviers zu erhalten, ist es manchmal vielleicht auch nötig, kleine Unstimmigkeiten einzubauen.”
Bei der Stimmung eines Klaviers gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen die KlavierbauerInnen ansetzen können, um den Klang und das Spielgefühl zu verändern.
Zum einen kommt es auf die Spannung der Saiten an. Wird die Spannkraft angezogen, erhöht sich auch der Ton, den die Saite erzeugt. Hinzu kommt die Bearbeitung der Filzhämmer, die die Saiten anschlagen. Diese sind zunächst sehr hart und erzeugen auch einen harten Klang. Durch seitliche Einstiche in den Filz mit einer Art dicken Nadeln, wird das Material aufgelockert. Der Ton klingt sanfter.
Darüber hinaus lässt sich noch die Mechanik des Tastenanschlags verändern. Der Resonanzkörper und das Material des Klaviers spielen auch eine Rolle. “Da kommen wir dann wirklich in die Feinheiten”, schmunzelt Max.

Wenn man sich so mit Max über Musik unterhält, kann es schon mal philosophisch werden und wir bekommen so allmählich einen Eindruck davon, was es mit dem Rohlfing-Motto “Musik ist Leben” auf sich hat.
Max’ Liebe zur Musik, und zum Klavier im Besonderen, hat viele Facetten. Das fängt schon bei der Funktionsweise an: “Zwar gibt es immer mal wieder kleine Feinheiten, die optimiert oder verändert werden, aber im Wesentlichen findet sich in heutigen Klavieren die gleiche Mechanik wie vor hunderten Jahren.” Dazu kommen die Designs einzelner Modelle, die vom Zeitgeist ihrer Baujahre erzählen und natürlich die unerschöpflichen Klangwelten, in die einen das Instrument entführt.
Es ist gerade diese Begeisterung, die Max letztlich zum Verkauf gezogen hat. Nach seiner Klavierbauerausbildung arbeitete er zunächst in der Werkstatt von Rohlfing, merkte jedoch bald, dass ihn besonders der Kontakt zu den KundInnen reizte. Während sein Schwager Andreas die Werkstatt leitet, ist er der erste Mann im Verkauf.
“Die individuelle Beratung hebt uns vom Online-Handel ab. Wenn der Kunde oder die Kundin auf der Suche nach dem passenden Klavier ist, versuche ich herauszufinden, was die Vorlieben sind. Wir kommen ins Gespräch.”
Es ist wohl genau das, was den Verkauf von Klavieren ausmacht: Das Gespräch über Musik.
Man tauscht sich darüber aus, was dem Gegenüber gefällt. Man spielt das ein oder andere Klavier an und bespricht, was man gerade gehört hat. Da ist es schon etwas ironisch, dass sich die klanglichen Besonderheiten der einzelnen Modelle häufig nicht mit Worten einfangen lassen. Oft benutzt Max Gesten anstelle von Worten, um den Charakter eines Klaviers zu beschreiben. Aber auch das gelingt nur bedingt. Meistens muss man dann doch die Musik selbst sprechen lassen.

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